Sonntag, 23. September 2007

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„Chrab, Chrab, Chrab!“
damit wurden wir nachts geweckt. Wohl ahnend, was das war, suchten wir die Ameise mit der geschulterten Laubsäge im Gepäck. Wir wurden nicht fündig. Am nächsten Morgen zeigten uns Holzspäne, dass dies kein Albtraum war. Die Termite hatte unser Bett zur Hälfte aufgegessen.
Zweiter Weckversuch. „Macht Fotos! Macht Fotos!“ schrie der rauchende und koffeinhaltige Fleischberg. Die Überchristen von nebenan haben als Gegenmaßnahme zur Deutschen Gründlichkeit das Hinweisschild unserer Lodge samt Fundament ausgebuddelt. Ketzerische Hetzreden krächzten aus Volksempfängern und untermalten die negativen Intentionen. Zusammen mit dichten Nebelschwaden aus brennenden Müllhaufen verwuchsen diese Sirenenklänge zu einer Endzeitstimmung. Die Müllverbrennung findet durchgehend Mittwoch bis Dienstag statt. Um der Müllberge Herr zu werden, sammeln speziell ausgebildete Menschen und tumorartige Ziegen alles verwert- und nicht verwertbare. Mit ausgelassener Heiterkeit freuen wir uns auf die Abreise.

Von Müllparfüm umrauscht stieren wir auf den ZDF-Fernsehgarten und verfolgen wie Prof. Dr. Klaus-Jürgen Wussow alias Harn Brinkmann sowohl die Krankenschwestern als auch die Neurochirurgie beharschte.
Eintrag ins Klassenbuch: Andi, Helmut und Sven müssen nachsitzen, da sie zu laut Schwarzwaldklinik geschaut haben. Helmut ist ein sehr wohlhabender, pensionierter Bauunternehmer aus Deutschland, der seine Familie für eine Kenianerin verlassen hat. Seine Ehefrau beging daraufhin Selbstmord, seine Tochter möchte nichts mehr von ihm wissen. Nach kurzer Zeit hat ihn seine kenianische Freundin betrogen und mit HIV infiziert. Wohl nicht nur aus innerer Zerissenheit sondern auch wegen möglichem Befalls des Zentralen Nerven Systems nimmt er keine Therapie in Anspruch und begegnet seinen Mitmenschen in einer zornigen Art und Weise.
Gespräch am Nachbartisch: „Was machst Du heute Mittag?“ „Lilian kommt zu Besuch.“ „Ah – Hausaufgaben machen?“ „Ja, schriftlich und mündlich!“ „Aber besonders gerne mündlich – oder?“ Großes Schenkelklopfen gefolgt von männlichem Gelächter.
Danach lassen diese zerlumpten Gestalten die Flasche kreisen.
Unglaubliche Szenen am Abend: Während des Stromausfalls praktizieren zwei fleischige Kunden den Beischlaf im ZDF-Gemeinschaftsraum. Der Fernseher schweigt, wir müssen es ertragen. Der nächtlichen Unruhe nicht genug, zapfen weibliche Moskitos unsere Adern an vorzugsweise Knöchel und Handgelenke. Unsere Kleidung passt nicht mehr, weil Körper und Geist von Mückenstichen aufgedunsen sind. Wie im Blutrausch jagen wir im Morgenrot die vollgesogenen Leiber und bringen sie zwischen unseren klatschenden Händen zur Explosion.

Outpatient: Samburo Krieger mit Schmerzen im Oberbauch. Verdacht auf Peptic Ulzer. Tripple-Therapie: Amoxicillin, Metronidazol und Omeprazol.
Die Samburo-Krieger sind irgendwo zwischen gestern und heute auf der Strecke geblieben. Ohne Visionen und Zukunftspläne betrinken sich unsere Freunde tagsüber, um abends in endlosen Hotelketten ihre Kriegstänze aufzuführen und im Anschluß an die Darbietung begeisterten Mittfünfzigerinnen ihre Ketten, Zeichnungen und Speere anzubieten.

Ebenso sinnlos erschien uns das alltägliche Relaxen und Chillen unserer Goldketten behangenen Gangster-Rapper aus Mombasa-Town. Gefangen zwischen East-Coast und West-Coast, Playstation und Playgirls leben sie in den Tag hinein. Alltäglicher Höhepunkt ist das abendliche Aufstylen mit anschließendem Posen in der Disco. Als wir mit ihnen abends was trinken waren, trafen wir eine 60 jährige Amerikanerin, die uns in betrunkenem Zustand ihren Lebensplan offenbarte: Zum Schutze der Big 6 (Giraffe, Tiger, 3 Ziegen plus Gorilla) wollte sie eine Privatarmee aufstellen. Rapper Chris – der nach eigenen Angaben ein Jahr Psychologie studiert hatte – besaß nun angeblich die Fähigkeit durch alleiniges Dreinblicken ihr Wesen zu verstehen und zu beeinflussen. Auf das versprochene Bier, welches sie uns durch seine Gedankenkraft ausgeben sollte, warten wir immer noch. Sobald herauskam, dass sie kein Geld besaß, war das Interesse an ihr verloren. Chris: „Immer und immer wieder hat sie mich angerufen. Fahr zur Hölle hab ich ihr gesagt.“

Genervt von dem ganzen feinen Getue hier wollten wir an den Strand flüchten. Samburo-Krieger rieten uns wegen Tsunamigefahr nach einem indonesischen Erdbeben davon ab. Also stiegen wir in ein Matatu, um unseren Freund Bob in Watamu zu besuchen. Zusätzlich zu den 20 Passagieren fand dieses mal eine ganze Schulklasse im Matatu Platz. Teilweise überfahren wurden nur ein Motorradfahrer, zwei Ziegen und unsere Erwartungen.
Kurzer Zwischenstop im Moloch Malindi. Mit Ahmeds Schergen am Bart wollen wir Geld bei umhelmten Polizisten abh(g)eben. Wenige Meter und einige Minuten zuvor versuchen 7 falsche Polizisten mit einer falschen Polizeisperre Schmiergeld von Matatufahrern zu erpressen. Sie ahnten jedoch nicht, dass sich unter den Opfern ein Zivilpolizist befindet. Die herbeigerufene Verstärkung erschoss kurzerhand zwei der Kriminellen. Echo aus der Bevölkerung: „Gut, dass die Verbrecher tot sind. Jetzt können sie es nicht mehr tun.“
Statt Karanga mit Haferbrei gab es diesesmal Pfeffersteak mit Pommes. Uns ist allen mal wieder für drei Euro schlecht geworden, der Urlaub wurde ausgekostet bis zur letzten Sekunde. Krieger aus dem Stamm der Pokot scheinen mit uns verwandt zu sein, sie ernähren sich ausschließlich von Fleisch.
In Watamu trafen wir alte Bekannte sowie Dr. Brain, der uns am Strand Gras verkaufen wollte. Für das Geld kauften wir lieber eine Eintrittskarte in den Marinepark. Beim Gogeln fanden wir keine Scherben, nur bunte Fische und tote Korallen zogen an uns vorüber. In noch aufgeweichtem Zustand trafen wir in der Hofauffahrt auf von Bobs Nachbarn bewachtes menschliches Pfand. Dieses sollte erst nach entsprechender Lösegeldzahlung (Mietschulden für Auto und Wohnung) des Bruders der Geisel freigelassen werden. Alternativ wurde der Schwester des Bruders eine Frist zur Zahlung des ausstehenden Betrages bis zum Morgengrauen gewährt. Sollte sie dem nicht nachkommen, würde das Gefängnis in Kilifi sie als Pfand entgegennehmen.
Apropos Knast: aus erzieherischen Gründen befindet sich dieser direkt gegenüber der Schule. Apropos Erziehung: Tagsüber mussten wir bei Bob ohne Essen und Trinken klarkommen – ER befeuerte den Ramadan. Dafür aßen wir umso opulenter nach Sonnenuntergang z.B. bei Bobs Familie. Sein Onkel gab zum Nachtisch Seemannsgarn: Bis heute (68 Jahre alt) wandert er barfuß mit Touristen bis ins zweite Basiscamp des Mt. Kenia. Aus Langeweile verdiente er ein Zubrot als Segel-, Surf- und Tauchlehrer. Das Geld war auch nötig für seine 5 Frauen, 23 Kinder und ständig steigende Preise für Gebetskappen.
Wie viel Nebenjobs der Mann aus dem Nachbardorf mit 355 Frauen haben muß, können wir uns nicht ausmalen.

Arabuko-Suboke/Mida-Creek: statt 80 Miniatur-Buschelefanten, Goldrücken-Rüsselhündchen und Regenwald, fanden wir Laubmotten, Grashüpfer und deutschen Blätterwald. Auch der NABU (Naturschutzbund) hat hier seine Finger…also die schwarze Katzen im Kasten. Solche Touristenfallen sind für uns gefundenes Fressen für die Zeitmaschine bis zum Rückflug.
Im Matatu mussten wir wieder hinten sitzen. Im Falle eines Unfalls gäbe es kein Entkommen: Mzunguplätze. Es war dunkel und trotzdem wussten wir, dass wir bald zuhause sein werden: Der Mundgeruch Mtwapas waberte uns schon von weitem entgegen.
Der Gewinner des Tages war ein Rentner, der nach 78 Dienstjahren seinen Höhepunkt mit 5 Frauen gleichzeitig erreichte.

Seltsam? Aber so steht es geschrieben…

Samstag, 8. September 2007

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Das vertraeumte Fischerdorf (Lonely Planet), welches von uns anfaenglich als von Fliegen umsurrter Kackhaufen interpretiert wurde, stellte sich nach kurzer Eingewoehnungszeit als Perle der ostafrikanischen Kueste dar.
Der "Pirate Beach" ist ganze 10 km entfernt. Die Stadt ist nicht nur bevoelkert von Plastikmassais. Echte Massais und Samburi-Krieger haben wir schon als Freunde und Patienten schaetzen gelernt. Plastikmassais erkennt man als in rote Gewaender gehuellte, zwergenhafte, pyknische Gestalten, welche mit aus Plastik gefertigten Hirtenstaeben imaginaere Schafe zaehlen.
Wer hier wen imitiert bleibt immer noch unklar. Statt Schafe ueberall Ziegen Ziegen Ziegen. Sie nagen, kauen und beissen an Autos, Steinen und Weissen. Sie fressen Sand und Menschen. Laermende Lastwagen aus vergangenen Zeiten durchkreuzen die Stadt, grosskoernige Staubwolken hinter sich herziehend.
Wie in Malindi werden hier die Muellberge angeschmort, dummerweise direkt vor unserem Fenster. Die Dunstwolke aus brennenden Gummireifen und Muelltueten kitzelt unsere Nasenhaare und weckt uns unsanft aus tiefen Lariamtraeumen.
Aus Gruenden der inneren Sicherheit werden wir Peter und Paul genannt. Dieser Identitaetswechsel war von Noeten wegen aufdringlicher Butter-Flies (kaeufliche Damenbaerte).
Fliegen auch beim Essen. Neulich assen wir Pommes mit Haehnchen und versuchten schneller als die Fliegen zu sein. Noch bevor die Maden schluepfen konnten, war das Essen verdaut.

Billig aber auch irgendwie schoen: unsere Partnerboerse. In dieser Absteige treffen sich verlorene Herzen, finden unattraktive Kartoffeln knackiges Frischobst aus Kenia. Baertige Busfahrer treffen auf Hallie-Barry-Imitate, staemmige Fleischfachverkaeuferinnen von Bolle und Tengelmann finden hier ihre exotischen Stammeskrieger fuers Leben. Und wir mittendrin zwischen Fleischeslust und ZDF-Abendunterhaltung in der zweiten Reihe.

dining room:
- Unterhaltung zweischen zwei Sachsen: "heut faehrst Du ab und SIE schlaeft den ganzen Tag. Ich werd mal was zu ihr sagen. Dein letzter Tag!"
Themenwechsel:
"...und wenn die Schwarze sagt, "der Weisse hat mich gewuergt", dann hast Du keine Chance, dann gehst Du in den Knast. Ob man Wuergemale sieht oder nicht!" "Aber Du kannst Dich ja freikaufen!" "...was das kostet!"

Neben dem dining room: lauthals singende Ueberchristen allsonntaeglich in kakophoner Dysharmonie, plaerren dieselben nicht zueinander passenden Akkorde rauf und runter. Unerwartet Deutsche Gruendlichkeit als Gegenmassnahme: eine Unterschriftenliste der Nachbarn wurde zusammengestellt und beim Kreiswehrersatzamt in Kilifi eingereicht.

Auf der Hauptstrasse: gebilligte und provozierte Rueckkopplungen und Uebersteuerungen aus Lautsprechern zur Akquise von Neukunden fuer Kreditgeber, Wahlkampf, Krautermedizin, HiV-Aufklaerung, Kirche und Mobilfunk (Safaricom vs Celtel). Von diesen PR-Aktionen unbeeindruckt kreuzen Matatus nach neuer Kundschaft spaehend mit aussen haengenden Schaffnern durch die Kanalisation. Passagier ist alles: Ziege, Hirte, Peter und Paul, Alte und Junge werden alle fuenf Meter umworben und gezerrt. Bei den Matatus selbst handelt es sich um Fabrikate der Nissan-Karavan-Baureihe, bei welcher zusaetliche Sitzreihen eingeschweisst wurden (auf 14 Insassen maximiert). Die Fahrgastzelle imponiert mit einem in Gebetsteppich eingeschlagenem Armaturenbrett und Gardinenkordeln verhangenen Sonnenblenden. Der Rueckspiegel wird verdeckt durch ein DINA4 Passportraet des gut schmierenden Lizenzinhabers. Wer nicht schmieren kann, dessen Fahrgaeste muessen Polizeikontrollpunkte unterwandern.
Dach, Fahrgastzelle und Unterboden werden mit Neonfarben illuminiert. Der Farbenlehre nicht komplementaer sind grelle Aussenlacke und gleissende Neonroehren. Der maximale Anpressdruck wird sowohl durch masslose Besatzung als auch durch einen ueberdimensionierten Heckspoiler gewaehrleistet. Von Chrom verzierte kleine Wuehlreifen ebnen sich den Weg durch schon beschriebene Strassenverhaeltnisse. Polyphone Huptoene erweitern die Zubehoer Produktpalette der massangefertigten Tuningbauteile.

es hat sich herumgesprochen> Doktor Holiday:
- 4 jaehriger Patient mit Rasselgeraeuschen beidseits. Therapieplanaenderung: Salbutamoleinnahme nicht vor dem Schlafengehen, da systemische Wirkung (Patient und Familie konnten nachts nicht mehr schlafen). Wir beruhigten den Vater, da er einen kausalen Zusammenhang zwischen einem Unfall waehrend der Schwangerschaft und der Erkaeltung 4 Jahre spaeter befuerchtete. Nicht auszumalen die Folgen fuer die Mutter.
- 27 jaehriger Samburo-Krieger auf dem Boden eines Souvenierladens examiniert. Diagnose: Infektion der oberen Atemwege bei Fieber. Eine Therapie mit Doxycyclin wurde von der gewinnsuechtigen Apothekerin verhindert. Deshalb: fuer uns bezahlbare Therapie mit Amoxicillin. Besserung nach 3 Tagen festgestellt. Tanzverbot besteht weiterhin fuer die naechsten Tage.
Ein scheinbar generelles Problem an der Kueste ist das Schwitzen mit dem Anschliessenden Auskuehlen durch Zugluft. Neben unserer Empfehlung - dem Tragen einer vor Auskuehlung schuetzenden Kleidung - wurden die Patienten von uns angehalten, mit kochendem Wasser und Kamille zu inhalieren. Nach Uebersetzungsschwierigkeiten bleibt zu befuerchten, dass Chamaeleons in kochendes Wasser geworfen wurden.

Abendgestaltung: unser Stamm hat uns zu einem seiner Auffuehrungen mitgenommen. Veranstaltungsort war das all-inklusive Neptun-Hotel. Um Reinzukommen mussten wir den Waechter doppelt schmieren. Die Taenze waren martialisch mit rhythmischen Gesaengen untermalt. Die eindrucksvollste Komponente war das Stampfen und steil in die Luft Springen der Krieger.
WG-Party bei John (6qm fuer 3 Mitbewohner) mit Kikuju-Musik und Palmwein bei voelliger Dunkelheit (kein Strom). Beim anschliessenden Kneipenbesuch machten unsere Stethoskope und Infrarot-Fieberthermometer die Runde. Sie wurden mit Erschrecken und Faszination ausprobiert. Der hypochondrische Kellner war nach kurzem Lungen-, Herz- und Temperaturcheck sichtlich erleichtert.

Erkenntnis des Tages: Amoxicillin hilft doch.

Mittwoch, 5. September 2007

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"do you have some seconds for us?" fragten wir als wir den von spenden gemaesteten koerper des krankenhausmanagers durch sein vergittertes fenster erblickten und er uns mit einem fingerwink eine audienz gewaehrte. seine "internal investigations" bezueglich unseres verstohlenen geldes verliefen wie erwartet im wuestensand.
statt wie am tag des ueberfalls "sorry, it was our mistake" hiess es nun "it was YOUR mistake" und statt der leugnung vergangener vorfaelle wusste er jetzt schlagartig ueber alles bescheid, sah jedoch keinen grund darin, uns bei ankunft darueber informieren zu muessen. dem nicht genug beanspruchte er sogar die opferrolle fuer sich. wir wuerden ihm zu wenig respekt zollen und ein angeblich falsches verhalten am zoll sei mit ursaechlich fuer die probleme des weitertransports der hilfsgueter. er untermalte seine widersprueche mit einem zynischen lachen.
Scheinbar gab es nicht nur zwischen uns missverstaendnisse sondern auch zwischen dem schatzmeister in berlin und allen anderen.
nach der Phantasie desselben war das tawfiq hospital nicht aus stein, sondern aus holz gebaut, ganz malindi freut sich ueber unsere brillen (ahmed: "there are six boxes of glasses and father thomas still sent us more and more") und hungernde kinder von der website suggerieren barmherzigkeit und moral im tawfiq. Der manager schloss mit der drohung ab, er wuesste wir seien noch in afrika und dass er hier viele leute kennen wuerde.
so schnell haben wir noch nie unsere koffer gepackt.

die probleme, mit denen wir uns derzeit rumschlagen sind folgende: zitat des aelteren tischnachbarn zur afrikanischen bedienung: "hier are five weit people and onli tu africans, so wi watsch ZDF". Das vierte Tusker und eine neue folge des traumschiffs lassen solche und andere probleme gering erscheinen.

"if it wasn t so tragic, it would amuse me"

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consultation room:
-erstaunlich fuer uns: viele patienten mit asthma, allergien und konjunktivitis. Therapie: antihistaminika und glukokortikoide wie in deutschland.
- 16 jaehrige patientin in begleitung ihrer mutter stellt sich bei naechtlicher inkontinenz vor. organische ursachen konnten nicht gefunden werden - psychosomatische therapie in Afrika laut dr. mika nicht moeglich
- viele kinder mit windpocken, masern und kraetze
- weiteres dermatologisches schmankerl: patient mit neurodermitis: kostspielige und einzigartige therapie nach dr. mika: 50 ml azyclovir-creme
- 4 jaehrige mit atemnot, schaum vor dem mund, peripherer zyanose (blaue lippen und fingernaegel) liessen auf eine kardiale ursache schliessen. in aehnlichen situationen wurde sie schon mehrmals erfolglos von schamanen behandelt. widerwillig fanden die eltern nun doch den weg ins tawfiq woraufhin sie gleich ins district hospital ueberwiesen wurde. zitat der muetzenverkaueferin am strassenrand: "zur anfaenglichen behandlung geht - wer geld hat - ins tawfiq krankenhaus, zum sterben geht man ins staedtische district hospital."

dr mika bedauerte, dass wir gestern nicht der v.a. (vaginal aberation) beiwohnen konnten. die v.a. wurde von ihm auf wunsch der patientin im 2. monat mit der hand durchgefuehrt.

der nachtschwester (5 Kinder) erzaehlten wir, dass deutsche frauen durchschnittlich 1.3 kinder zur welt bringen. daraufhin resuemierte sie schlussfolgernd, dass deutsche frauen wohl kein sex moegen.

- von uns heimlich auf dem flur durchgefuehrtes eye-camp im 2. stock des tawfiq-hospitals: allein durch mundpropaganda in bobs familie konnten wir in kurzer zeit sechs passende brillen fuer makani hassan (brille no. 211), omar haji (8), armina kale (236), armina mohamed (77), farrida mohammed (88) und yusuf zehaba (383) finden.
Ein Glueck, dass die anderen 524 ueberhaupt nicht gebraucht und weggeschmissen werden!

Saalwette: gewonnen!
26 personen in einem 14sitzer nachts bei hoechstgeschwindigkeit, hindernissen ausweichend, modern-talking hoerend.
Die hindernisse sind auch uns ausgewichen.

Fiktion

Eine Polonaise der guten Laune tanzend, schunkeln wir die Nationalhymne Kenias: Jambo! Jambo! Habari gani? Nzuri sana! (Hallo! hallo! wie gehts? sehr gut!). Dankbar nehmen wir platz am kapitaenstisch der ms tawfiq, als der auf einer kanonenkugel vorbeifliegende baron uns bemerkt und sich sogleich nach unserem wohlgergehen erkundigt und ob wir nicht endlich die schnauze voll von all den geburten hier an bord haetten. Er weist uns wie jeden tag vaeterlich daraufhin, dass der augenscheinlich sichere panzerkreuzer nicht sicher vor piraten sei und wir unsere golddukaten lieber fuer eine vom skipper organisierte safari ausgeben sollten. durch sirenen fehlgeleitet gerieten wir mit unseren 46 schatzkisten in die schwarzen haare einer krake. piraten enterten unser schiff, nahmen ueberhand ueber kiel- und steuerrad und liessen uns auflaufen. der grossteil des schatzes wurde von ihnen fuer weiber und rum auf den kopp gehauen, den rest warfen sie ins meer, er zerbarst zu bunten scherben.
mit einem aus truemmern zusammengeszimmerten rettungsfloss ging die reise unter neuer flagge weiter. in alten scheppernden tauchanzuegen mit kopfglocken und bleischuhen beschwert, stiegen wir hinab um von neptun unsere schaetze zurueckzufordern. hingehalten mit algen und quallen, beschlugen unsere taucherglocken vor inbrunst und vernebelten unsere sinne.
immer tiefer und tiefer absteigend fanden wir statt kisten und schaetze zweizuengige schlangen und eine tausendkoepfige hydra. als der weisse hai seine zaehne zeigte und die meuterei keinen erfolg versprach, beendeten wir unser matrosendasein.

Donnerstag, 30. August 2007

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Neulich waren wir in dem schaebigen Restaurant bei Tageslicht "Essen" - wenn man es denn so nennen moechte. Wir nahmen den Tisch zwischen Waschbecken, Kueche und Tresen - unser gustatorisches Bermudadreieck. Nachdem die Schaben uns Platz gemacht hatten und hinter unsem Ruecken im Flackerlicht der ratternden und knatternden Ventilatoren die Wand hinauf und an den Tresen vorbei durch die Lueftungsschlitze Richtung Kueche krabbelten, presste der Kellner mit dem Gewicht der Teller das aufgequollene Furnierimitat des Tisches zurueck in seine urspruengliche Position.
Vom Kreuchen und Fleuchen der Asseln, Wanzen und Kopffuesser nahm ausser uns keiner Notiz, denn sie gehoeren hier zu einer herzhaften Mahlzeit einfach dazu. Bevor die Loeffel mit feinsten Kostbarkeiten zubereitet vom Smutje des Gekroeses unsere Muender erreichen konnten, wurden sie mit verkeimtem Spuelwasser bespritzt.
Dieser eher symbolische Waschakt der Haende hinzukommender und gehender Gaeste musste sich ausgerechnet neben unserem Tische abspielen. Das Abschuetteln der Haende - weil keine Handtuecher vorhanden sind - erfrischte uns zu jedem Menuegang aufs Neue.
Zeitgleich verschwanden Mchicha, Bohnen und Chipatti in unseren und den Kauwerkzeugen der Kakerlaken. Der in das Restaurant verschleppte Dreck der Strasse vereinigte sich mit jenem Abtropfwasser zu kleinen Fluessen und Seen, die ihrerseits in der Mitte des Raumes zu einem Schlammteppich zusammenflossen. Neben den von Schimmel und Pilzen zerfressenen Waenden oeffnete der Kassierer die Tresen und befoerderte eine Lawine von Kondens- und Abwasser Richtung unserem Mchicha. Angeborene Reflexe retteten den Frass vor weiterer Kontamination. Das gesparte Geld wurde mit einem unter Ueberdruck abgehenden uebelriechenden, typhoiden Fettstuhl quittiert.
Mit aufgetriebenem Gedaerm sahen wir, wie ein durch einen Verkehrsunfall geschaedigter Radfahrer sich mit Gehoelz an dem LKW-Fahrer raechte: die Hiebe trafen das Aeussere und Innere der Fahrerkabine.

Operation theatre:
- Frau mit gigantischem multiplen Leiomyom des Uterus, dachte sie sei im vierzehnten Monat schwanger. Zeitweiser Stromausfall erheiterte unsere Assistenz. Der Muezzin verstummte.
- Spanisch-Plastisches-Chirurgenteam aus Valencia operiert alles moegliche und unmoegliche umsonst: Tiere, Menschen und Sensationen im Theater.

Obwohl sich uns die Medizinstudenten hier als schleimig, arrogant, nicht hilfsbereit und verstuhlt praesentierten, erhielten wir als Paradoxon folgende SMS:

"hi andy, sorry if i scared u.this is lilian we met at maternity ward.the stdnt rmbr?just wanted 2 knw hw ur fairhg.say hi 2 sven.gday."

und

"hi andy and seven hope your fine me am not that fine but iwill come bye say hi to zyana."

Die verbale Kommunikation gestaltete sich aehnlich widerspruechlich und komplex.
Das sich vieles in unseren Koepfen abspielte oder moeglicherweise eine Nebenwirkung von Lariam-Missbrauch war, zeigte sich, als wir unsere Vorgaenger kennenlernen durften. Aeusserlich sahen sie aus wie Huellen unserer selbst, doch gaben sie an, mit den komischsten Dingen ihre Freude zu haben beziehungsweise fuer uns unmoegliche Handlungen zu vollziehen. Durch ihre teils unkritische bis zuweilen naive Art wurden sie sogleich vom Personal gefeiert und unterstuetzten Vetternwirtschaft und schwarze Kassen. Fuer uns klare Zusammenhaenge wurden von ihnen entweder verkannt oder kaleidoskopartig verzerrt gesehen.
Auf weitere Kommunikation wurde unsererseits verzichtet.

Vieles spielt sich jedoch nicht nur in unserer Phantasie ab, so z.B. auch die Tatsache, dass die Nummer des Schluessels unseres Zimmers von aussen gut lesbar an der Zimmertuer angebracht ist. Mit der Kennziffer M35H ist es jedem moeglich, einen passgenauen Schluessel dieser Schliesszylinderbaureihe nachzumachen. Und 250 Euro zu entwenden.
Fairerweise lud der Krankenhausmanager dieses Versaeumnis auf seine Stiernacken. Aus anderer Quelle erfuhren wir, dass wir schon die dritten waren. Das Geld sehen wir nie wieder.

Steckdosennase verstopft`
Kaefer kommt ins Krankenhaus zum Sterben
Patient schreit nachts/
Wewewe und
Wawawa

Die naechste Lariamtablette gibts morgen.

Mittwoch, 29. August 2007

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Seit Wochen schon versuchen wir zur MDH-Krankenstation in Ramada zu kommen. Mit Allahs Hilfe und durch einen 10 sekuendigen Anruf des beleibten Krankenhausmanagers war das ploetzlich alles kein Problem mehr. Wie von Heuschrecken gejagt flohen wir aus der Koranschule.
Busfahrt. Abfahrtszeit 10:30. Tatsaechlich: wenn Bus voll ist: 12:30. Es regnete Maiskolben von Mitreisenden zweiter Klasse, die im einstoeckigen Bus ueber uns sassen. Die von vier Schwestern geleitete Raumstation entspricht einem sowjetischen Standard. Umgeben von Maisfeldern assen wir frischgeschlachtete Huehnerkoepfe, tranken Regenwasser und kackten neben den Acker.

Consultation Room:
- Patient mit Peptic Ulzer. Therapie jetzt in Eigenregie: Statt Aluminiumhydroxyd/Therapie Helicobakter Pylorus Eradikation nach franzoesischem Schema. Improvisation: Erythro- statt Clarithromyzin. Bitten um Feedback eines betagten Internisten.

Outpatient:
- unweit vom Hospital in einer dunklen Lehmhuette liegend, fanden wir eine dahinsiechende, abgemagerte 23 jaehrige Frau mit offener Tuberkulose. Bei der koerperlichen Untersuchung imponierten stehende Hautfalten. Um nicht denselben Fehler wie bei unserem ersten dehydrierten Patienten zu machen, draengten wir dieses Mal vehement auf eine i.v.-Rehydratation. Da ein Fortleben der Patientin von der Familie nicht erwuenscht war, wurden unsere Massnahmen so weit es ging verzoegert. Am naechsten Tag war die Patientin zunehmend verwirrt und somnolent. Nach diplomatischen Verhandlungen mit der Krankenschwester einigten wir uns zaehneknirschend auf nur 1,5 Liter Rehydratation, die Tropfgeschwindigkeit war viel zu langsam - wir sind ja nur die Praktikanten.
Wie wir erfahren haben, ist sie die dritte (und letzte) Frau des Mannes und hat zwei kleine Kinder. Angeblich wird die letzte zugeheiratete Frau besonders von ihrem Ehemann geliebt. Bis in den Tod.

Nach etwas mehr als einer Stunde dauernden Fussmarsch durch Busch und Steppe trafen wir unverhofft auf ein Dorf. Lehmhuetten wie aus historischen Buechern, Kinder nur mit Stofffetzen bekleidet und die auf kleinen Tuechern ausgebreitete Tagesernte praegten das Bild dieser Siedlung. Immer noch schwer fuer uns zu begreifen sind es jedoch keine Statisten einer Filmkulisse, sondern echte Menschen, die um das taegliche Ueberleben kaempfen.

- 54 jaehriger Patient, nicht orientiert, orale Candidose, Pneumonie und bekannte Immundefizienz. Patient verweigert antiretrovirale Therapie weil er glaubt, verhext zu sein. Therapie: Fungizide, Antibiotika, Vitamine und Eisenpraeparate.

Mittagessen wie auch alle anderen Mahlzeiten bei Oberschwester Grace - vortreffliche kenianische Kueche mit Kokosnussreis, Ingwertee und Pancakes. Ungewollt sassen wir beim Essen getrennt von den Frauen. Solche Gesten der Wertschaetzung waren uns sehr unangenehm und befremdlich. Welch ein Bild muessen unsere Vorgaenger wohl hinterlassen haben?

- 11jaehriger Junge mit Stichverletzung am Knie. Die Wunde wurde im Schein einer Oellampe genaeht.
- 10jaehriger Junge mit Schlangenbiss. Art der Schlange nicht bekannt, Antidot nicht verfuegbar. Therapie: Gabe von Hydrocortison. Zusaetzlich wurde ein schwarzer Stein auf die Wunde gelegt, welcher das Gift wie ein Magnet aussaugt. Der Stein muss nach Benutzung in Milch neutralisiert werden.

Vor lauter Dankbarkeit, Frohlockung und Entzueckung doch nach Ramada fahren zu duerfen, verbrachten wir die Naechte ohne Kopfkissen und Decken unter EINEM Moskitonetz. Das Rasseln einer Klapperschlange wurde gelegentlich von Geriama-Gesaengen des von Palmwein betrunkenen Nachbarn unterbrochen. "Palmwein" so erklaerte er uns im Vollrausch und spuckte und zischte "ist Nasi. Nasi tropft auch bei uns heraus, wenn man die Arme der Laenge nach aufschlitzt. Das Blut der Palme. Der Champagner Kenias." (30%)

...und dann war da noch eine Frau mit Zwillingen im Bauch, die verkehrt herum lagen. Und trotz Vaginitis ist sie jedoch immer noch der Meinung, eine Hausgeburt sei das einzig Wahre.

Eingeklemmt zwischen Getier, Greisen und Gebaeck sassen wir in der letzten Reihe und hofften nicht vom Dorfschlaeger verdroschen zu werden. Schubsend und stossend gestikulierte er Jung und Alt auf ihre Plaetze - und bisweilen zog er auch Einzelne wieder heraus. Wer nun auf dem Dach kein Platz fand, musste zuhause bleiben. Da der gewaehlte Bus nicht der Neueste war, wurde der Motor vom Busfahrer nach einer gewissen Strecke neu justiert. Hierzu musste die Haelfte aller Passagiere aussteigen. Vielleicht war auch nur die Kohle alle?
Warum dieser Witz? Alle Turbosaudiesel-Fahrzeuge furzen hier im Zweitakt ohne Grobpartikelfilter russend und dampfend durch die Gegend.
Auch stinkend: Muellverbrennungsanlagen nach kasachischem Standard: Klein und Gross vor jeder Haustuer.
Ueber Gogoni ging es weiter zur Hells Kitchen. Fuer urst viel Geld gab es eine Lehmgrube mit Sandbergen zu sehen.

"We pay a few hundred Shilling, you pay a few thousand. You know, this is Africa. You are mzungus!"

Nach Ende der Besichtigung wurde jeder Besucher genoetigt mit Anspielung auf sein Gewissen, Karamellbonbons und Schulhefte fuer die vor dem Tore lauernde Kindermeute zu kaufen. Ihr "Ciao!Ciao!" fuer die italienischen Gaeste wirkte perfekt einstudiert, war jedoch durchschaubar. Waehrend ihrer Inszenierung liefen sie mehrmals vor das fahrende Auto und waeren dabei fast ueberrollt worden. Neben Karies war dies ein weiterer Grund, keine Karamellas aus dem Auto zu werfen.
Zeitgleichzu diesen sozialkritischen Gedanken wurden aus unseren Schraenkendes abgeschlossenen Zimmers im von Sicherheitsleuten bewachten Tawfiq-Hospital 250 Euro entwendet. Hoffentlich hat wenigstens dieses Geld einem gerechten Empfaenger gereicht.

Danach bei Bob in Watamoo: Bier, Fressen und Palmwein. Endlich fuer einen Tag Urlaub bis 3:00 morgens. 6:00 Uhr: Matatu nach Malindi District-Hospital.

Maternity Ward:
Aermlich aussehende Frau mit acht Kindern erwartet zehntes Kind. Unter miserablen hygienischen Bedingungen, die wir hier nicht weiter beschreiben moechten, setzten bei der jungen Frau die Wehen ein, obwohl sich der Muttermund nicht oeffnete. Statt waermender Worte von den Hebammen wurde sie angeschrien und immer und immer wieder mit manueller Unterstuetzung in Form von groben Ellenbogendruecken in den Oberbauch traktiert.
Nachdem die Portio sich trotz dieser noch nicht oeffnen wollte, wurde die Patientin sich bei der Suche nach einem freien OP-Platz selbst ueberlassen. Als dieser endlich gefunden war, galt es auf Verlangen von Oberschwester Joyce erstmal einen Fingerabdruck anstelle einer Unterschrift abzugeben. Die OP-Einwilligung war damit im Kasten.

Operation Theatre:
- Auch hier wieder unangemessene Coolness. Das per Kaiserschnitt entbundene Kind war blau, atmete nicht und hatte einen schlaffen Muskeltonus (APGAR 5). Die Wiederbelebung erschien sehr uneffektiv, die Herzdruckmassage glich einem Streicheln der Brustwarzen. Als das alles nicht mehr mit anzusehen war, begann Sven unter den boesen Blicken der Schwestern mit der Herzdruckmassage. Die Schwester ueberstreckte den Kopf nicht ausreichend, so dass dem Kind die Luft im Halse stecken blieb. Dann nahm sie unvermittelt das Kind, verschwand damit im OP-Aufnahmeraum und ueberliess es mit den Worten "jetzt ist es stabil" sich selbst.

Wie in vielen anderen Situationen sassen wir wieder einmal zwischen den Stuehlen. Entweder rumstehend nichts zu tun wie ein Praktikant oder nach bestem Wissen und Gewissen zu handeln wie ein Arzt - beides war uns nicht moeglich.

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In einem malindischen Restaurant, in dem auch gern TucTuc-Fahrer und Kontrolleure essen, verspeisten wir zu viert jeweils einen Mchicha, Bohneneintopf und Chiapati. Zweifelnd was denn Mzungus in diesem auch fuer Einheimische eher schaebigen Restaurant zu suchen haetten, wurden auch wir fuer wenig Geld satt (2,80 Euro).
Fuer Bier tun wir hier alles - und liessen uns von viel zu lauter "House of Reggae" - Musik in eine dubiose Tanzwirtschaft hinter einer Tankstelle locken. Neben Frauen wurden uns auch Getraenke angeboten. Offerte des Tages: die Kellnerin selbst. Fuer alle Daheimgebliebenen haben wir folgenden Tip zugesteckt bekommen:

Edison Lewah
P.O. Box 549
Kilifi, Kenya
Tel.-No. 0720-356559
Email: edisonlewasi@yahoo.com

Dem Fleische nicht zugaenglich sollten wir auch noch Land kaufen.

"so you ordered two beers for this guy?" Der Kellner deutete auf einen tanzenden Penner. Eigentlich hatten wir zwei "Citizen" bestellt und dabei auf die Bierflasche des froehlichen Obdachlosen neben uns gedeutet.
"so you want two citizen for you?" Hoffentlich haben wir keine Menschen bestellt. Dass das gewaehlte Lokal doch eher eine Lusthoehle als eine Kneipe war bestaetigten uns durchnummerierte Raeume in einem langen Gang Richtung Toilette.

Donnerstag, 23. August 2007

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Statt wie in der ersten Woche "Mzungo", in der zweiten Woche "Ciao! Ciao!" ruft man uns nun unter anderem "Hi Daktari!" hinterher.
Auf dem Weg zum District Hospital ist uns erneut ein monsunartiger Schauer anheimgefallen. Freundliche Blicke und Gesten weisen uns den Weg zum naechsten Unterstand, sei es ein kleines Wellbelchdach oder der nicht wirklich effektive Schutz eines Baumes. Gefluechtet vor dem wasserfallartigen Regen finden wir uns unter einem Dach mit Obstverkaeufern, Muettern mit auf dem Ruecken eingewickelten Babys und Bordabordafahrern wieder. Erst schuechtern und mit musternden Blicken schauen wir einander an, um schliesslich fasziniert dem trommelnden Regen zu lauschen und den Fluechtenden mit einer gewissen Schadenfreude zuzusehen.

Paediatric:
- drei Wochen alter Saeugling mit schwerem Durchfall. Ursache: Mutter verweigerte ihrem Kind das Anlegen, da sich ihre Brustwarzen beim Stillen verhaerten wuerden. Alternativ gab sie ihm (3 Wochen alt!) Bohnen und Brei.
- 14 Monate altes Kind, Mutter stellte aus unerfindlichen Gruenden die Fuetterung ein. Das Kind ist jetzt 56% unter der Norm.
- septische Nabelschnur wegen unsteriler Durchtrennung bei Hausgeburt. Dr Khan:"Das haben wir hier oefters."
- viele kleine Patienten mit unterschiedlichen Verbrennungsgraden. Laut Dr. Khan besteht ein Schmerzmanagment. Das herzzerreissende Schreien und Weinen der Kinder laesst jedoch anderes befuerchten.
- wie auch Dr. Khan gestern bemaengelte erhielt das HIV-Kind mit Roeteln und Tuberkulose seine initiale antiretrovirale Therapie erst heute. Das Kind besteht nur aus Haut und Knochen, ihm fehlt sogar die Kraft zum Weinen.

Operation theatre:
Patient mit Diabetes und HIV muss sich einer Fussamputation unterziehen. Der Chirurg Dr. Ali war von unserem Vorschlag ueberrascht, Zucker in den Fuss zu streuen. "Was? Zucker? Wer macht denn sowas?" Wir wollten ihm den Namen des Arztes aus dem Tawfiq nicht verraten. Dr. Ali: "Man muss Honig in den Fuss giessen! Da koennt ihr ganz normalen Honig nehmen!" Doch selbst fuer diese Therapie war dieser Fuss nicht mehr geeignet. Die Verwesugn machte sich im gesamten Theater bemerkbar. Mit Hammer und Sichel wurde der Fuss rasant abgesaegt. Eine umherschwirrende Fliege wurde mit einem Insektizid (Doom) bedroht, dann jedoch von Hand zerstueckelt. Dr. Ali verdient 300 Euro im Monat.

ART-Room (Anti-Retroviral-Therapy): HIV
Viele Frauen mit Kindern und einige Maenner - alle HIV positiv - stellten sich bezueglich eines neuen Therapieregiments bei Dr. Komen vor. Eine Patientin mit Herpes-Befall des Auges bekam - wie auch in Deutschland ueblich - Acyclovir verschrieben. Als uebliche Alternative deutete Dr. Komen auf eine sich in einem Muelleimer befindliche besenstielartige Pflanze, deren Blaetter und Aeste schon alle entfernt worden waren. Die HIV positiven schwangeren Frauen erhalten zum Schutz ihrer Kinder Nefirapin und ausserdem die Empfehlung, ihre Kinder nicht zu stillen, da ueber diesen Weg zu 25-40% ein Infektionsrisiko besteht. In Kenia sind laut Regierungsangaben 7% (d.h. 1,5 Mio) der Bevoelkerung mit dem HI-Virus infiziert. Da jedoch nur ein Screening von den schwangeren Frauen erfolgt, wird die Dunkelziffer weitaus hoeher geschaetzt. Ueberraschend fanden wir auch folgendes: "Cock of male circumcision is also an important co-factor in STI (sexual transmitted deseases) and HIV transmission/acquisition." Die HIV-Therapie ist kostenlos.

Erkenntnis des Tages: Laut Dr. Khan besteht zu 80% eine Resistenz gegen Amoxicillin. Weniger Resistenzen sind scheinbar bei den Privatpatienten des Tawfiq-Krankenhauses zu erwarten.

Mittwoch, 22. August 2007

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Obwohl die Regenzeit eigentlich im April sein soll, regnet es seit Sonntag von oben, von unten und von der Seite. Die Mondkrater der Kenyatta-Street fuellen sich mehr und mehr mit Wasser um sich schlussendlich in kleinen Baechen und Fliessen zu vereinigen. Wie in einem Jump and Run umspringen wir das Nass, um im Trockenen jenseits der Hakenwuermer zu landen waehrend die Tuctucs auf der Strasse fast in den Pfuetzen versinken.
Der sich vor dem Krankenhaus stapelnde Muell wird unterdessen mal wieder abgefackelt.

Consultation Room:
- 50 jaehrige Patientin mit Hepatomegalie (vergroesserter Leber), Atemnot und Verdacht auf Herzinsuffizienz. Weiterfuehrende Diagnostik (EKG, Ultraschall und Roentgen-Thorax) haette 7000 Shillinge gekostet, die Patientin und ihre Familie hatte jedoch nicht genug Geld. Eine Therapie ist somit nicht moeglich.

Diese und vorangegangene Patientenschicksale bestaetigen unseren Verdacht, dass im Tawfiq-Hospital nur sehr wohlhabende Patienten behandelt werden. Zu diesem Bild passt auch, dass von unseren gespendeten Brillen nur die Rahmen verwendet und die Glaeser weggeschmissen werden. Wahrscheinlich muessen die Rahmen auch noch von den Patienten bezahlt werden...Waehrend unsers Besuches bei Bob erfuhren wir von ihm, dass das Tawfiq-Krankenhaus zusammen mit einer Koranschule und einer Moschee vor ca. 50 Jahren gegruendet worden ist mit der Zielsetzung, den Mitellosen medizinische Unterstuetzung und Ausbildung zu gewaehrleisten. Wie bei vielen sozialen Projekten in Malindi und Umgebung wurden diese Vorsaetze nicht lange eingehalten und zugunsten der Wertschoepfung ueber Bord geworfen. Wie wir gesehen haben, werden hier viele Medikamente aus Deutschland verschrieben, welche von den Patienten kaeuflich erworben werden muessen. Uns wurde gesagt, dass fuer diese Medikamente mehr verlangt wird, als im Medical District Hospital in Malindi (ein staatliches Krankenhaus). Bei diesen Medikamenten handelt es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um gespendete Medikamente der MDH, bei welchen die Spender sicherlich nicht mit einem Weiterverkauf gerechnet haetten. Auch unter Beruecksichtigung betriebswirtschaftlicher Kostenrechnung ist der Sinn der Allgemeinnuetzigkeit wohl weitesgehend verloren gegangen.
Bloss gut, dass wir seit gestern im Malindi District Hospital routieren.

Paediatrics:
- Saeuglinge mit schwerer Dehydratation bei Diarrhoe/Saeuglinge mit Verbrennungen 3. Grades > 30% der Haut/Kinder mit HIV, Tuberkulose und Roetelnkatarakt/viele Babys mit Malaria
Ueber HIV spricht man hier nicht, man redet nur von Immundefizienz.

Das Teaching war sehr gut, alles wurde sehr gut erklaert, die Studenten haben schon in sehr fruehen Semestern ihre eigenen Patienten, welche sie bei der Visiste vorstellen und fuer die sie selbst verantworlich sind.

Operation theatre:
- Einrichtung wie im Tawfiq, verfuegt jedoch zusaetzlich ueber einen Herzschrittzaehler. Patient kam barfuss im Engelskostuem in den OP-Saal gelaufen und musste sich alleine auf den OP-Tisch setzen, als sich sein ca 5-7 Liter fassenden Hoden bemerkbar machte. Aus einer Ecke hoerten wir die OP-Schwester zischeln:"Elephantiasis"
Grobschlaechterisch wurde der massive Hodensack abgekaut und der durch den Hoden nicht mehr sichtbare Penis freipraepariert. Mit ueberschuessig vorhandener Haut wurden die Genitale anschliessend neu modelliert.
Filariasis (Elephantiasis) wird durch den Stich von Anopheles-, Aedes- und Culex-Muecken-Arten vorwiegend nachts uebertragen. Die Inkubationszeit betraegt 1-16 Monate.

Zum Glueck haben nun auch wir die Chance vor allem durch den vermehrten Regen und das nicht so wirksame Autan, diese vergroesserten Geschlechtsteile/Extremitaeten zu erlangen.

Witz des Tages: unsere Namensschilder betiteln uns als "Medical Assistance in Africa NPO - Non Profit Organisation"

Montag, 20. August 2007

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Obwohl wir die Stadt und die Stadt uns schon ordentlich kennenlernen konnten, muss bei Wochnendunternehmungen immer ein Kindermaedchen als Beschuetzer vor Raeuber und Gedaerm in Begleitung sein. Ausser unter der Woche, da haben wir Auslauf muessen jedoch in unseren gummierten Kinderbettchen vor Sonnenuntergang sein.
Aehnliches Schauspiel nach jedem Dienstende: der Mombasasteet folgend, vorbei an Mais, Breitlingimitaten oder Nuessen feilbietenden Haendlern, den Kreisel links abbiegend gehen wir schliesslich eine Seitenstrasse entlang um bei einer aelteren Frau Obst zu kaufen. Wir feilschen um rote Bananen / sogar innen roetlich / sowie um Kokusnuese, deren Preise sich derzeit kontant bei 15 Ksh befinden. Witz des Allesverkaeufers auf dem Rueckweg:"die Brotpreise sind wieder gestiegen."
Zurueckzu sind wir immer schneller, weil die Sonne hier genauso schnell untergeht wie der Strom ausfaellt. Ebenso heute abend: Malindi geht frueh zu Bett. Das Tafick verfuegt jedoch ueber ein Dieselnotstromaggregat, der uns gegenueberliegende Muezzin auch.
Consultation Room:
- Frau mit weisslichem Ausfluss. Diagnose: Candidose. Dr. Mika:"Frauen die huebsch sind, bekommen oefter sexuell uebertragbare Krankheiten als haessliche Frauen. Dies ist so, weil den huebschen Frauen die Maenner hinterherrennen, den haesslichen jedoch nicht."
- Stichinzision eines Abzesses:"Seven! You must cut deeper, there is no pus coming out!" Der Junge schreit wie am Spiess, doch es ist einfach kein Eiter in der Wunde. Dr. Mika:"So there is no pus."
- Frau mit 3monatiger Amenorrhoe, Erbrechen und Fieber erfaehrt fuer sie VOELLIG ueberraschend, dass sie schwanger ist. Und Malaria hat.
- Pharmareferent am Nachmittag: Sirup gegen Magersucht (Dr. Mika:"Das brauchen wir hier nicht") - vgl. Slimfastvertreter.
- Eisensirup fuer Patienten mit Eisenmangelanaemie ("das brauchen wir"). Haeufigste Ursachen: hohe Fleischpreise, gehaeufte Infektionen und Peptikasa.
- erneut vorstellender Patient mit Schmerzen im Unterbauch rechts. Blickdiagnose Dr. Mika: chronische Appendicitis (Blinddarmentzuendung). Therapie: Antibiotika
- Saeugling mit ballonartiger Ausstuelpung im Nabelbereich. Diagnose: Nabelhernie. Therapie: "NO OPERATION! He s the firstborne!" Deshalb: manuelles Einstuelpen des Bruchsackes und Fixierung mit Klebestreifen (Dr. Mika: "guenstig im Al-Razak-Supermarkt").

Mittagspause: unsere erste Einladung. Statt fried meat haette es fast Karanga gegeben: duenne, waessrige Fleischsuppe, lauwarm. Unsere Zaehne erfreuten sich dafuer an doppelten Rationen sandiger Bohnensuppe mit Chiapati.

Consultation Room:
- junger Mann mit tiefer Schnittwunde im rechten Mittelfinger. Dr. Mika:"wenn er 500 zahlen kann, naehen wir ihm die Wunde. Wir werden sehen, ob er soviel hat. Er sieht nicht danach aus."
- Andi stuermt herein, Frau mit hypertensiver Krise (230/140). Th: Lasix, Nifedipin und Valium. Grund der Aufregung: drei unterschiedliche Staemme stritten sich um das Sorgerecht fuer die Mutter. Selbige besuchten wir sonntags, da uns ihr Sohn Bob eingeladen hatte. Touriprogramm: Gederuinen/Fuehrung mit Bobs Bruder/Essen/Mutter und Schwester untersuchen/Tusker-Bier mit Osteopathin und Sozialarbeiter aus Muenchen in Bobs Residenz.

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